Neumagenbrücke bei Staufen: Die Kunst der badischen Fuge

„Die Kunst der Fuge“ heißt Johann Sebastian Bachs berühmter Zyklus mit Variationen über ein eigentlich recht einfaches musikalisches Grundthema. Die Kunst der badischen Fuge jedoch hat nichts mit genialen Kompositionen zu tun, obwohl man in Staufen durchaus Historisch-Kulturelles aufzuweisen hat: Immerhin ist hier vor 470 Jahren der Wunderheiler und Alchimist Johann Georg Faust gestorben, den Goethe in seiner gleichnamigen Tragödie verewigte. Nein, die badische Fuge hat nichts mit Musik zu tun. Aber ein wenig kunstvoll ist sie schon.

„Das hier ist eine badische Fuge“, sagt STORZ-Bereichsleiter Bauwerkinstandsetzung Bernd Weimer und zeigt auf einen eigentümlichen Schlitz an dieser inzwischen mittels Hochdruckwasserstrahl von Fahrbahnaufbauten und Kappen befreiten Brücke über das Flüsschen namens Neumagen. „Diese Art des Übergangs zwischen Widerlager und Überbau gibt es nur hier in Baden. Sie wurde vor vielleicht hundert Jahren erfunden, als es noch keine hochentwickelten Werkstoffe für Dehnungsfugen gab.“ Ihr Trick: Die jahreszeitlich- und witterungsbedingten Bewegungen des Brückenüberbaus über dem Widerlager überdeckelte man quasi mit einer Platte, die sich auf einem Kupferband bewegen konnte. Dies alles ließ sich dann mit Bitumen vergießen. So erzielte man dichte und technisch akzeptable Dehnungsfugen.

Weimer hat auch bei diesem Projekt die Bauleitung inne. Er trifft sich an diesem Tag mit seinen Auftraggebern aus dem Regierungspräsidium Freiburg. Es geht um technische Einzelheiten der Sanierung dieser Brücke aus den siebziger Jahren, über welche die Landesstraße 123 führt. Man hat sie halbseitig gesperrt. Jetzt müssen konstruktive Korrekturen geplant und vorgenommen werden, damit das überarbeitete Bauwerk später verbessert dasteht.

Unter anderem soll der sogenannte Gefällewechselpunkt verlegt werden. Es ist die tiefste Stelle, an der sich das Straßenwasser sammeln soll. Dieser Punkt, so erläutert Brückenexperte Weimer, habe bislang falsch gelegen – unter einer der Kappen. Wie man ihn mit welchem Spezialmaterial an die richtige Stelle bekommt – darum geht es bei dieser Besprechung, an der natürlich auch BWI-Polier Steffen Hepfer teilnimmt. Er pendelt zwischen den Baustellen in Freiburg und Staufen.

Diese mit ca. 30 m Länge eher kleine Brücke ist Teil der seit langem ersehnten Ortsumfahrung Staufens. Das historische Städtchen stöhnt nicht nur unter der Last der geologischen Hebungen, ausgelöst durch eine fehlerhafte Geothermie-Bohrung im Jahre 2007. Es leidet auch unter erheblichen Verkehrsströmen. Deshalb sind die L123 und die Neumagen-Brücke wichtig. Das Bauwerk soll für Autofahrer künftig nur noch zwei Spuren, dafür aber eine zusätzliche für Radfahrer erhalten.

Zeitgemäße Gestaltung einer Brücke also. Einer Brücke, die gleichzeitig Zeugin einer inzwischen historischen Technik ist: der Kunst der badischen Fuge.

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