Zum Abschied von Manfred Wagner: Der Herr des blauen Landes geht von Bord

Eigentlich liegt das „Blaue Land“ im Oberbayerischen. Dort haben sich einige Gemeinden rund um den Staffelsee zu ihrer gleichnamigen Tourismus-Arge zusammengetan. Für Manfred Wagner indes liegt sein blaues Land viel weiter westlich und ist deutlich größer als das bajuwarische Areal. Der Chef der Donaueschinger STORZ-Niederlassung ist zuständig für alle deutschen Landschaften westlich der A81 und südlich der A8. Sein „Reich“ erstreckt sich auf der Wandkarte in seinem Büro von Karlsruhe bis an den Hochrhein und von der französischen Grenze bis an den Donau- und den Neckarursprung. Flächenmäßig ist seine Niederlassung die größte im „STORZ-Imperium“. „Na ja“, schmunzelt er, „das ist die Theorie. In der Praxis arbeiten wir im Norden bis Freudenstadt oder Böblingen und im Westen bis an die B500. Aber das reicht auch schon.“ Jetzt geht der Herr dieses blauen Landes endgültig in den Ruhestand.

Wirklich? Ja, sagt er und lächelt: wirklich. Denn eigentlich ist er schon seit dem vergangenen Jahr „auf Rente“. Aber die Geschäftsleitung habe ihn gebeten, noch ein Jahr dranzuhängen, und da habe er eben „ja“ gesagt. Der gebürtige Donaueschinger („Eigentlich bin ich aus Wolterdingen!“) wirkt entspannt, als er von sich und seinen langen Jahren in der Baubranche erzählt. Bald hat er es hinter sich, und man ahnt eine gewisse Vorfreude.

Diese Freude auf sein neues Leben jenseits von Plänen, Tabellen und Bilanzen hat er sich in einem halben Jahrhundert auch redlich verdient. Immerhin hat er bereits 1969 als Bauzeichner-Lehrling beim Wasserwirtschaftsamt begonnen. An der Fachhochschule in Konstanz folgte ein Bauingenieur-Studium, das er mit einem Diplom abschloss. Nach dem in den siebziger Jahren noch obligatorischen Abstecher zur Bundeswehr habe er in Bad Säckingen in der dortigen Außenstelle des Regierungspräsidiums angefangen und sogar die Beamtenprüfung abgelegt. Aber so ganz scheint dies nicht sein Geschmack gewesen zu sein, denn 1979 schon folgte er dem Angebot, Bauleiter in einem Unternehmen zu werden. Manfred Wagner ging zur Karl Riegger GmbH & Co. KG nach Bad Dürrheim.

„Ein typischer Mittelständler mit 120 Mitarbeitern, eigenem Schotterwerk, eigener Asphaltmischanlage und großem Baubereich“, sagt Wagner rückblickend. Eine übersichtliche, aber facettenreiche Welt, in der es ihm wohl gefallen haben muss, denn seine Karriere entwickelte sich erfreulich. Nach 20 Jahren im Unternehmen wurde er 1999 zu einem von zwei Geschäftsführern ernannt. Aus diesen beiden Jahrzehnten stammen auch seine intensiven Erinnerungen an besondere Baustellen, die er als Bauleiter betreute, allen voran die Ortsumfahrung Marbach. „Die werde ich nie vergessen“, sagt er. „Die Ortsumfahrung Marbach war meine erste Baustelle, ich kam frisch von der Hochschule und hatte keine Ahnung von der Praxis. Nach drei Wochen hätte ich am liebsten gekündigt. Ist dann aber alles gut gegangen.“

1999 sollte für Manfred Wagner und seine Kolleginnen und Kollegen bei Riegger ein Jahr der Neuorientierung werden, denn das Unternehmen wurde von STORZ übernommen. Die allermeisten Mitarbeiter blieben auch danach der Firma treu, so auch Manfred Wagner. Er übernahm die Verantwortung für die STORZ-Niederlassung in seiner Heimatstadt Donaueschingen, die im Laufe der Jahre erheblich an Bedeutung zunahm. Niederlassungen in Tuningen, Elzach und Singen wurden ihr zugeschlagen – nach und nach entstand so das blaue Land auf Manfred Wagners Wandkarte. Die Verschmelzung Riegger – STORZ nahm Jahre in Anspruch und war erst 2012 komplett vollzogen. Heute zählt die Niederlassung Donaueschingen über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Umsatz von über 30 Mio. Euro erwirtschaften.

In diese beiden Jahrzehnte fallen bestimmt die größten Baustellen, die Manfred Wagner auf seinem beruflichen Weg betreute: zahlreiche Autobahn- und Straßenkilometer, große Erschließungen, komplizierte Einzelprojekte. Wie tief er sich in die Details einarbeitete? Tief, so sagt er. Vielleicht nicht immer zur Freude seiner Bauleiter. Und auf die Frage, was er denn für ein Chef-Typ sei, zögert er nicht lange mit der Antwort: „Wahrscheinlich ein schwieriger, ein autoritärer, eben ein klassischer. So habe ich meine Chefs erlebt, und das hat bestimmt abgefärbt.“ Er lacht, als er das sagt, wirkt dabei aber auch ein wenig nachdenklich.

Mit welchem Gefühl er denn zum Jahresende seinen Platz zugunsten von Karsten Roth räume, der bisher für den Bereich Großprojekte zuständig war? „Ich gehe mit einem guten Gewissen. Persönlich hatte ich eine gute Zeit, sowohl bei Riegger als auch bei STORZ.“ Manfred Wagner, Vater dreier Söhne und Großvater dreier Enkeltöchter, freut sich schon auf die vielen Reisen rund um den Globus, die er mit seiner Ehefrau in Zukunft vorhat – natürlich nach der Corona-Aufregung. Seiner Frau fühlt er sich ganz besonders verpflichtet: „Das Ganze war nur möglich, weil sie mir immer den Rücken freigehalten hat und volles Verständnis für meinen Beruf hatte. An meinem beruflichen Werdegang hatte sie einen maßgeblichen Anteil.“

Und dann blickt er noch einmal auf die Wandkarte in seinem Büro, auf „sein“ blaues Land: „Na ja, vermissen werde ich das alles wohl doch…“

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